Matthias S. und die Gratwanderung zwischen medialem Kalkül und hochgradiger Arroganz.
Wann wird‘s mal wieder richtig Sommer? Zwar sehne ich mich auch nach dem Sommergefühl, wie Rudi Carrell es einst beschrieb, dennoch vermisse ich die Gallionsfiguren in der Bundesliga. War es nicht schön, samstags die Flimmerkiste anzuschmeißen und zu sehen, wie ein Trapattoni die Pressekonferenz des Jahrzehnts gibt und ein Stefan Effenberg aus Kampfeslust einen Tiger im Haupthaar getragen hat? Nicht zu vergessen ist die Geschichte, in der der Verrückte mit Mittelscheitel und bekennender Oberlippenbartträger einen Kokainwert dem Institut für Rechtsmedizin in Köln präsentiert, der alle aus den Socken gehauen hat. Schließlich war ein Wert in dieser Höhe noch nie zuvor gemessen worden.
Damals gab es noch viele Figuren im Fußball, die polarisierten. Meiner Meinung nach gibt es heute nur noch wenige; Robben und Großkreutz. Unsere Bundesliga ist vielmehr geschwängert von politisch korrekten Vorbildern.
Das Schöne an Geschichte ist, dass sie sich wiederholt. Matthias S. tritt allmählich in die großen Fußstapfen des Uli H. - Beide kennen das Geschäft als Spieler und als Manager. Sie besetzen genau die Positionen beim FC Hollywood, in deren Arbeitsbeschreibung zu stehen scheint, sich auch mal mit dem ganzen Fußballvolk anzulegen. Liegt dieses „Wir allein gegen den Rest der Welt“-Gefühl in den Genen des FC Bayern, oder ist das bloß eine Fassade?
In den letzten Wochen standen an der Säbener Straße wieder allerlei Diskussionen an. - Vom Chefchen, der keinen Platz mehr haben würde und einen wechselwilligen Kroos. Diese lebhaften Themen gipfelten in der, von der spanischen Presse als Reaktion über den 6:1 Kantersieg der Königlichen über die Königsblauen herangezogenen, Infragestellung der Qualität des Trainers. Demnach komme der Erfolg daher, dass Pep mit den Bayern eine schwache Liga dominieren würde.
Ein zweifelsohne intelligenter Mensch wie Matthias Sammer könnte in diesen medialen Anspannungen ein Problem für die Mannschaft sehen. Selbst wenn es sie auch nur minimal beeinflussen sollte, sieht er sich im Handlungszwang. Prompt kam ein Rundumschlag für die ganze Liga. Man solle im eigenen Garten kehren und überlegen, ob man auch tagtäglich trainiere als würde es kein Morgen geben, so Sammer.
Können diese Aussagen einen taktischen Hintergrund haben? Ist die Arroganz, die Matthias Sammer an den Tag legt, weniger charakteristisch, als Teil eines medialen Kalküls? Immerhin sind alle Augen auf ihn gerichtet und die Mannschaft konnte, von diesem „Drumherum“ unbeeindruckt, 6:1 gegen den Tabellen-Fünften VFL Wolfsburg gewinnen, bevor es für sie am Dienstag gegen die Gunners aus London geht.
Infolge der medialen Fokussierung auf Matthias Sammer sind die Themen, die die Mannschaft oder einzelne Spieler zuvor betroffen haben, links liegen geblieben.
Arroganz oder mediales Kalkül . Wie auch immer es am Ende sein mag; es macht richtig Spaß zu beobachten und die Bundesliga gewinnt dabei.
Wenn der Herr S. diese Diskussion, zwecks eigener Aussage hat kommen sehen, hat die Bundesliga einen Sportvorstand mehr, der es zu verstehen weiß, sich für den Erfolg seiner Mannschaft in die Schusslinie zu stellen. Sollte die Aussage Sammers allerdings von Arroganz angetrieben sein, wird die Bundesliga mit harter Arbeit Rechenschaft schuldig sein und auf Dauer besser werden müssen.